Pilze auf Rügen

Achtung: Diese Seite dient lediglich der Information und Anregung, nicht der Pilzbestimmung, denn sie kann Fehler enthalten. Für alle Angaben zur Essbarkeit übernehme ich keine Gewähr.

Der Ästige Stachelbart (Hericium coralloides) erscheint im Herbst, liebt Buchenholz und ist einer der schönsten Pilze unserer heimischen Natur.
Der Ästige Stachelbart (Hericium coralloides) erscheint im Herbst, liebt Buchenholz und ist einer der schönsten Pilze unserer heimischen Natur.

Im Oktober habe ich einen Blogartikel über die Pilzwelt des Darßes verfasst, der sich außerordentlicher Beliebtheit erfreut und mir einige Nachfragen nach den Pilzen auf Rügen beschert hat: Wo darf man auf Rügen Pilze sammeln? Welche Pilze gibt es? Wo findet man sie? Und so weiter und so fort. Also schieb ich mal einen Blogartikel über Pilze auf Rügen hinterher. Los gehts. Im Großen und Ganzen stellt sich die Pilzwelt auf Deutschlands größter Insel nicht viel anders dar als die auf dem Darß. Das heißt, die allermeisten Pilze, die auf Rügen wachsen, findet man genauso auf dem Darß und umgekehrt. Von daher empfiehlt es sich für Pilzfreunde, auch den Artikel über die Darßer Pilze zu lesen - siehe Link am Ende der Seite. Einen großen Unterschied zwischen der Pilzwelt des Darßes und jener auf Rügen stellen jedoch die Bodenbeschaffenheit und das Landschaftsrelief dar: Während Kalk auf dem Darß eher Mangelware ist, ist er auf Rügen aufgrund der Kreidevorkommen weit verbreitet. Pilzarten, die auf Kalk angewiesen sind oder vorzugsweise auf kalkhaltigen Böden wachsen, wird man also eher bzw. häufiger auf Rügen finden als auf dem Darß. Zu diesen Arten gehören zum Beispiel Satans-Röhrling, Netzstieliger Hexenröhrling, Sommersteinpilz, verschiedene Schnecklinge, der Spechttintling sowie die Mai-Morchel und die Gemeine Morchel. Die beiden Letztgenannten sind an das Vorkommen der Gewöhnlichen Esche gebunden, die wiederum kalkhaltige Böden bevorzugt. Vielen Arten zuträglich ist außerdem das in manchen Teilen Rügens fast mittelgebirgsartige Relief mit Hängen und Tälern, welches sich natürlich auch in den Wäldern fortsetzt und unterschiedlichste Lebensräume schafft.

Spechttintlinge ( Coprinus picaceus) wachsen mit Vorliebe in den warmen und kalkhaltigen Buchenwäldern Rügens und können dort im Herbst recht häufig angetroffen werden.
Spechttintlinge ( Coprinus picaceus) wachsen mit Vorliebe in den warmen und kalkhaltigen Buchenwäldern Rügens und können dort im Herbst recht häufig angetroffen werden.

Hinzu kommt, dass es auf Rügen bedeutend größere Buchenwälder mit vielen alten und sehr alten Bäumen gibt. Diese Buchenwälder bieten hervorragende Bedingungen für unendlich viele Pilzarten. Erst recht dann, wenn es sich um Kalk-Buchenwälder handelt. Also, Buchenwälder, die auf kalkhaltigem Untergrund gedeihen. In ihnen leben nicht nur unzählige Pilzarten, sondern auch viele seltene Pflanzen und Tiere. Wenn man von den Buchenwäldern auf Rügen spricht, muss natürlich erwähnt werden, dass ungefähr 500 Hektar Buchenwald im Nationalpark Jasmund seit 2011 zum UNESCO-Weltnaturerbe gehören und das stellt durchaus eine ganz besondere Auszeichnung dar. Mehr darüber erfährt der Interessierte im UNESCO-Welterbeforum im Nationalpark Jasmund und im Naturerbe Zentrum Rügen bei Prora. Buchenwälder findet man auf Rügen übrigens nicht nur auf dem Jasmund, sondern auch auf dem Mönchguter Nordperd und in der Granitz zwischen Binz und Sellin. Gemeinsam ist diesen Wäldern, dass Bäume dort ihr Leben leben und sterben können, ohne dass der Mensch eingreift, weil es sich um Schutzgebiete handelt. Alles Holz - egal, ob tot oder lebendig - bleibt dort, wo es ist oder hinfällt und das schafft wahre Pilzparadiese. Allein Rügen vorbehalten sind außerdem die Küstenwälder auf dem Jasmund. Wälder derartiger Ausprägung auf kalkhaltigen Böden direkt an der Ostseeküste existieren auf Fischland, Darß, Zingst nicht. Oftmals ist die Rotbuche die vorherrschende Baumart im Küstenwald. In anderen Teilen wiederum herrscht jedoch ein Gewirr aus verschiedenen Bäumen und Sträuchern (zum Beispiel Gemeine Esche, einige Wildkirschenarten und Ebersche), die nicht selten von Gemeinem Efeu erobert werden. Am Boden kann man ganz nebenbei eine ungemein artenreiche Krautschicht bewundern. 

In sehr feuchten Herbstmonaten verzaubern Brauner und Honiggelber Hallimasch den Küstenwald auf dem Jasmund.
In sehr feuchten Herbstmonaten verzaubern Brauner und Honiggelber Hallimasch den Küstenwald auf dem Jasmund.

Es ist wirklich ein außergewöhnliches Erlebnis, durch den herbstlichen Küstenwald zu wandern. Wenn es in den Herbstmonaten viel geregnet hat, erscheinen massenhaft die Fruchtkörper des Braunen und auch des Honiggelben Hallimaschs. Auf sichtbarem und unter dem Laub oder im Boden verborgenem Totholz erscheinen beide Arten in allen erdenklichen Altersstufen und können vom Weg aus bequem bestaunt werden. Erwähnt sei, dass ein Brauner Hallimasch im US-Bundesstaat Oregon von Wissenschaftlern gern das größte Lebewesen der Erde genannt wird. Sein im Boden verborgenes Pilzmycel (also der eigentliche Pilz, denn wir sehen nur die Fruchtkörper) soll eine Fläche von ungefähr 880 Hektar einnehmen. Im Jasmunder Küstenwald hatte ich im Oktober 2019 ein besonderes Pilzerlebnis. An einer alten Esche entdeckte ich einen weißen Pilzflatschen, den ich von Weitem für einen Ästigen Stachelbart gehalten hatte. Unmittelbar daneben befanden sich außerdem tiefschwarze Rindenpilze und ein großer Fleck eher rosa und schleimig wirkender Pilze. Ratlos stand ich davor und meinte, vielleicht drei verschiedene Arten von Schleimpilzen vor mir zu haben. Der weiße Pilz war jedenfalls definitiv kein Ästiger Stachelbart. Also machte ich Fotos, die ich mir erst in Berlin genauer angeschaut habe und wagte einen Bestimmungsversuch ... der kläglich scheiterte, denn in keinem meiner Pilzbücher fanden sich passende Pilzgesellen. Als nächstes fragte ich das Internet und wurde fündig: Es handelte sich nicht um drei Schleimpilze, sondern um einen in verschiedenen Reifestadien. Ich hatte den Schleimpilz Brefeldia maxima gefunden.

Schleimpilz Brefeldia maxima im Jasmunder Küstenwald in drei verschiedenen Stadien. Wobei der weiße der jüngste und der schwarze der älteste Fruchtkörper ist.
Schleimpilz Brefeldia maxima im Jasmunder Küstenwald in drei verschiedenen Stadien. Wobei der weiße der jüngste und der schwarze der älteste Fruchtkörper ist.

Brefeldia maxima kann außerordentlich groß und schwer werden und ändert seine Farbe mit zunehmendem Alter von Schneeweiß zu Tiefschwarz. Tja, da hatte ich mal wieder richtig was gelernt. In der Fotogalerie unter "Diese und Jene" befinden sich noch zwei weitere Fotos dieses faszinierenden Pilzes. In allen Buchenwäldern sollte der Blick nicht nur am Boden kleben, sondern auch in die Höhe schweifen. Denn dort lassen sich neben Goldfell-Schüppling und verschiedenen Seitlingen oft die weißlich-beigen Buchen-Schleimrüblinge ausmachen. Buchen-Schleimrüblinge tauchen bei feuchtem Herbstwetter genauso häufig auf wie Hallimasche, nur eben im oberen Stockwerk des Waldes. Neben den ausgedehnten Buchen- sowie Laubmischwäldern, die aus verschiedenen Baumarten bestehen, gedeihen auf Rügen außerdem die Dünenkiefernwälder. In den Dünenkiefernwäldern schwingt die Waldkiefer das Zepter und der Boden ist oftmals von grau-grünen Rentierflechten sowie anderen Moosen überzogen, zum Beispiel auf der Schaabe und rings um Prora bei Binz. Maronen- und Sand-Röhrling, Stein- und Butterpilz sowie diverse Täublingsarten seien stellvertretend für die unendliche Pilzvielfalt in den Dünenkiefernwäldern genannt. Gesagt sei, dass Pilze erstens nicht nur im Herbst und zweitens nicht nur in Wäldern wachsen. Pilze gibt es das ganze Jahr über: Im Winter wachsen Austernseitling, Gemeiner Samtfuß-Rübling und Judasohr und der Frühling ist die Zeit der Morcheln. Sofern es ausreichend geregnet hat, lohnt sich immer ein Blick auf den Holunderbusch am Wegesrand, der vielleicht mit samtig braunen Judasohren geschmückt ist oder in das Gras zwischen Bäumen und Büschen, wo sich im Mai mit viel Glück Käppchen- oder Spitzmorchel zeigen.

Der Gemeine Riesenschirmling (Macrolepiota procera) ist für mich ein Charakterpilz Rügens.
Der Gemeine Riesenschirmling (Macrolepiota procera) ist für mich ein Charakterpilz Rügens.

Pilze gibt es eben einfach überall: Gold-Mistpilze erstrahlen am Weges- oder Ackerrand auf verrottendem Pflanzenmaterial. Der Gemeine Orangebecherling wächst gerne mitten auf dem Weg in bloßem Sand. Am Strand sieht man schon von Weitem die großen gelblichen Fruchtkörper des Gemeinen Schwefelporlings an den toten Bäumen. Nicht zu vergessen, die unzähligen Alleebäume, an deren Fuß man oft unglaublich große Exemplare des blumenartig wachsenden Riesen-Porlings findet. Stehen ältere Birken am Straßenrand, werden sie gar nicht so selten vom allseits bekannten Fliegenpilz und/oder Birken-Röhrlingen begleitet. Die weißen Schopftintlinge hingegen mögen Wiesen und und machen in der Regel einen auf Familie ... Apropos Wiesen. Auf dem Darß ist es ja leider so, dass die Wiesen aufgrund des außerordentlich hohen Nutztierbestandes in der ehemaligen DDR bis heute arg in Mitleidenschaft gezogen sind, was Schadstoffe, Dünger und Pestizide angeht. Das ist auf Rügen anders. Dort existieren neben intensiv genutzten Flächen immer noch ausgedehnte, ungedüngte Wiesenbereiche, auf denen nicht nur viele Pflanzen, sondern auch Pilze einen ungestörten Lebensraum für sich beanspruchen können. Aber es gibt auch Pilze, die es nährstoffreich mögen: Wer öfter auf Rügen weilt, dem werden zum Beispiel die vielen Gemeinen Riesenschirmlinge nicht verborgen geblieben sein, die ab dem Spätherbst oft in großen Gruppen erscheinen. Der Gemeine Riesenschirmling ist meiner Meinung nach so eine Art Charakterpilz Rügens, dem man nahezu überall begegnen kann: auf den Wiesen, am Straßenrand, am Waldrand, am Wegrand ... Und weil er derart oft zu sehen ist, gehört er zu jenen Pilzen, die auf Rügen am häufigsten in irgendeinem Behältnis des Rügenbesuchers verschwinden. Womit wir jetzt nach dem kleinen Pilzüberblick bei zwei wichtigen Fragen ankommen sind:

Wo darf man auf Rügen Pilze sammeln? Und welche Pilze kann man essen?

Herbstrompeten (Craterellus cornucopioides) sind elegant wirkende Pilze, die in Buchenwäldern gedeihen.
Herbstrompeten (Craterellus cornucopioides) sind elegant wirkende Pilze, die in Buchenwäldern gedeihen.

Mit dem Pilzesammeln verhält es sich auf Rügen nicht anders als auf dem Darß im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Soll heißen, dass das Pilzesammeln im Nationalpark Jasmund in den Kernzonen grundsätzlich verboten und nur in der sogenannten Schutzzone II (Pflege- und Entwicklungszone) erlaubt ist. Das bedeutet, dass im Grunde im gesamten Nationalpark Jasmund keine Pilze gesammelt werden dürfen, da nur sehr kleine Bereiche zur Schutzzone II gehören (siehe Link zur Karte am Ende der Seite). Dass das Pilzesammeln in der Schutzzone II erlaubt ist, bedeutet übrigens nicht, dass Sie sich in den Wald begeben dürfen, um Ihrer Pilzleidenschaft in unendlichem Ausmaß zu frönen. Erlaubt ist das Sammeln einer geringen Menge für den persönlichen Bedarf, und zwar vom Weg aus. Die Regeln für Naturschutzgebiete sehen so aus, dass es verboten ist, irgendetwas aus dem Schutzgebiet zu entnehmen (Tiere, Pflanzen, Pilze ...) und ein ausnahmsloses Wegegebot herrscht. Also, bleiben Sie auf den Wanderwegen, lassen Sie Pilzmesser und Leinenbeutel (die Plastiktüte sowieso) im Rucksack und die Pilze dort, wo sie sind. Begegnen Sie der Natur Rügens mit Respekt und bedenken Sie, dass Pilze für viele andere Lebewesen unabdingbare Begleiter oder Nahrung sind. Sooo. Und nun zur Essbarkeit. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, dass ich keinerlei Angabe zur Essbarkeit der von mir erwähnten und gezeigten Pilze mache. Wer von Pilzrisotto oder mit Pilzen angereicherter Sahnesoße für ein Nudelgericht träumt, muss sich die entsprechenden Informationen über die Essbarkeit an anderer Stelle suchen (Internetseiten und Bücher über Pilze, Pilzführungen). Jeder Pilzsammler ist selbst dafür verantwortlich, welche Pilze er sammelt und verspeist. Dafür übernehme ich keinerlei Gewähr. Wenn Sie mehr über Pilze an der Ostseeküste wissen wollen, über ihre Lebensweise, ihre Namen oder ihre Bedeutung im Ökosystem, so empfehle ich Ihnen meinen Blogartikel "Pilze auf dem Darß" (siehe Link am Ende der Seite).  Auf Vieles, was ich dort über die phantastische Welt der Pilze geschrieben habe, bin ich hier nicht eingegangen, um mich nicht komplett zu wiederholen. Wie dem auch sei und egal, wann und wo Sie auf Rügen unterwegs sind: Ich wünsche Ihnen viele schöne Erlebnisse und wenn dieser Blogartikel Ihnen auch ohne Angabe der Essbarkeit bei der Bestimmung eines Pilzes geholfen hat, dann freue ich mich ... In diesem Sinne: Viel Spaß beim Umschauen!

PS: Sollten sich bei der Pilzbestimmung Fehler eingeschlichen haben, wäre ich für eine Nachricht sehr dankbar.

Bitte klicken Sie auf eines der Bilder, um die Galerien in vergrößerter Ansicht zu starten. Es werden dann auch Informationen zum jeweiligen Pilz angezeigt.

Brauner und Honiggelber Hallimasch

Farbtupfer

Steinpilz und Co.

Morcheln und Lorcheln

Flaschen-Stäubling und Co.

Schopftintling und Co.

Und zum Schluss noch Diese und Jene ...

Informationen des Nationalparks Jasmund

Literatur

Neben den vorgenannten Internetseiten des Nationalparks Jasmund (Stand: Januar 2022) habe ich für diesen Blogartikel folgende Literatur zu Rate gezogen:

Der große BLV Pilzführer für unterwegs, 1997, Ewald Gerhardt, Verlagsgesellschaft mbH München, ISBN 3-405-15147-3,

Kosmos Naturführer, Welcher Pilz ist das?, Markus Flück, 1995, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart, ISBN 3-440-06706-8 und

Das geheimnisvolle Leben der Pilze, Robert Hofrichter, 2017, Gütersloher Verlagshaus, ISBN 978-3-579-08676-7.

Für die Informationen über Brefeldia maxima war mir außerdem Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Brefeldia_maxima, Stand 02.01.2022, von Nutzen.

Außerdem habe ich ein paar Blicke auf diese phantastische Internetseite über Rügens Pilzwelt geworfen: https://ruegenpilze.de/, Stand 02.01.2022.