Pflanzen auf Rügen: Lebensraum Wiese


Der Große Ehrenpreis ist ein Bewohner warmer, kalkhaltiger Halbtrockenrasen.
Der Große Ehrenpreis ist ein Bewohner warmer, kalkhaltiger Halbtrockenrasen.

Wie sollte es auch anders sein, ist Wiese natürlich nicht gleich Wiese. Fettwiese, Feuchtwiese, Salzwiese, Trockenrasen, Halbtrockenrasen ... Tja, auf Rügen gibt es eben von allem viel. Und wie in allen anderen Biotopen hängt das Gedeihen der jeweiligen Flora von der Bodenbeschaffenheit, den Temperatur- sowie Lichtverhältnissen und dem Wasserhaushalt ab. Und im Fall der Wiesen vor allem davon, wie stark sie von Zwei- oder Vierbeinern genutzt, wie oft sie gemäht oder beweidet werden, ob man sie trockenlegt oder nicht und und und.

Breitblättriges Knabenkraut auf einer Feuchtwiese unmittelbar am Boddenufer.
Breitblättriges Knabenkraut auf einer Feuchtwiese unmittelbar am Boddenufer.

Die Beweidung durch Schafe oder Rinder ist in bestimmten Maßen sinnvoll und geboten, weil so das Aufwachsen von Büschen oder Bäumen verhindert wird, die die Wiesenvegetation verdrängen würden. Viele Wiesenpflanzen werden nur wegen eines gut durchdachten Beweidungsmanagements erhalten. Wird zu intensiv beweidet, bedeutet schon allein der Nährstoffeintrag durch die Hinterlassenschaften der Tiere den Tod vieler Wiesen mit all ihren Bewohnern. Orchideenwiesen seien hier stellvertretend für andere nährstoffarme Wiesen genannt. Am Ende tritt an die Stelle eines artenreichen Wiesenbiotops eine mit Löwenzahn übersäte Fettwiese, auf der kaum andere Pflanzen gedeihen. Die unzähligen leuchtend gelben Löwenzahnblüten sehen vor einem blauen Frühlingshimmel zwar wunderbar aus und dieses Farbenspiel macht sich eindrucksvoll auf jedem Landschaftsfoto, doch tatsächlich handelt es sich bei einer Fettwiese um eine ökologische Wüste, um das Ergebnis einer von Menschen versursachten Katastrophe. Mit der Wiesenmahd verhält es sich übrigens nicht anders als mit der Beweidung: Es kommt ebenfalls auf den Zeitpunkt und die Häufigkeit an. Wird mehr als zwei Mal jährlich gemäht oder zu früh im Jahr mit der Mahd begonnen, gewinnen schnellwüchsige Pflanzen wie Gräser oder Großer Sauerampfer die Oberhand und verdrängen die langsam wachsenden, oft seltenen und geschützten Wiesenschönheiten. Neben Feuchtwiesen, Magerrasen und anderen Wiesentypen existieren auf Rügen außerdem ganz besondere Wiesen. Nämlich die, die mehr oder weniger regelmäßig von salzhaltigem Wasser geflutet werden, weil sie zum Beispiel unmittelbar an die Boddengewässer grenzen.

Die Strand-Aster ist eine Pflanze der Salzwiesen.
Die Strand-Aster ist eine Pflanze der Salzwiesen.

Sogenannte Salzwiesen beherbergen eine einzigartige Flora, die auf den Salzwassereintrag und die Feuchtigkeit angewiesen ist. Deshalb führt das Eindeichen einer Salzwiese zum Verschwinden von Spezialisten wie Strand-Wegerich, Strand-Dreizack oder Strandsimse, die sich ihren Lebensraum ab und zu sogar mit Orchideen wie dem Breitblättrigem Knabenkraut teilen, sofern nicht zu viel Salz eingetragen wird. Die lilablütige Strand-Aster hingegen verträgt Trockenheit und Salz ganz gut, kommt aber mit einer häufigen Beweidung nicht zurecht. Die wenigen von mir genannten Beispiele zeigen, dass der Wiesenerhalt genauso ein Thema für sich ist wie das ausführliche Beschreiben der jeweiligen Wiesentypen. Entscheidend ist immer, dass die empfindlichen Beziehungen zwischen den Pflanzen, dem Boden und auch den anderen Wiesenbewohnern nicht gestört oder geschädigt werden. Nur auf diese Weise kann Vielfalt erhalten bleiben. Leider ist die Schädigung vieler Wiesenstandorte auf Rügen nicht allein der Übernutzung oder einem falschen bzw. nicht vorhandenen Pflegekonzept zuzuschreiben. Denn gerade in den Schutzgebieten wird alles dafür getan, die einzigartige Wiesenwelt zu erhalten. Diese Bemühungen werden jedoch von jenen Menschen torpediert, die nicht willens sind, sich an die in Schutzgebieten geltenden Regeln zu halten. Dazu gehören auch Fotografen, die sich nicht mit einem Foto vom Weg aus zufrieden geben. Ich habe leider nicht nur einmal Orchideenwiesen gesehen, auf denen ein regelrechter Trampelpfad zum größten Exemplar des Breitblättrigen Knabenkrauts führte, obwohl genügend Pflanzen am Wegesrand für ein Foto zur Verfügung standen. Zu allem Überfluss wird oft auch noch der Bewuchs rings um die auserkorene Pflanze gestutzt oder entfernt, damit kein Grashalm das perfekte Foto stört.

Wiesen-Margerite in den Zickerschen Bergen.
Wiesen-Margerite in den Zickerschen Bergen.

Oder jene Menschen, die nach eigenen Bekunden aus "grünen Gründen" Fahrrad fahren und dies auch über die Wiesen am Schafberg oder in den Zickerschen Bergen tun, obwohl es dort verboten ist (siehe Beschilderung an den Zugängen in die Schutzgebiete). Ganz zu schweigen von Familien, die in den Zickerschen Bergen auf den Wiesen ihre Decke für ein Picknick ausbreiten und mit den Kindern Kränze aus abgeflückten Blumen flechten. Und dann auch noch "vergessen", ihren Müll wieder mitzunehmen. Mir tun solche Dinge weh. Es schmerzt mich zu sehen, wie gedankenlos und egoistisch mit dem Naturreichtum Rügens umgegangen wird und ich hoffe, dass meine Informationen den einen oder anderen zum Nach- und Umdenken anregen. Auch, wenn Sie sich nichts dabei denken und nichts Böses im Schilde führen - jegliches Betreten einer Wiese richtet unermesslichen Schaden an. Eine Wanderung in den Zickerschen Bergen sei übrigens allen, die sich für die Flora Rügens interessieren, wärmstens ans Herz gelegt. Besonders von Mai bis Juli sind sie ein einziges Blütenmeer und die dortige Pflanzenwelt ist schlichtweg atemberaubend. Egal, ob es die gelb leuchtenden Wiesen-Schlüsselblumen, der weiße Knöllchen-Steinbrech oder die purpurfarbenen Gemeinen Pechnelken sind - dieser Anblick ist ein wahrer Genuss. Bis in den Spätsommer und Frühherbst hinein können in den Zickerschen Bergen wunderbare botanische Entdeckungen gemacht werden, zu denen auch diverse Sommerwurzarten, Gewöhnlicher Dost, Steifer Augentrost, Großer Ehrenpreis, Weiße Schwalbenwurz und die Golddistel gehören.

Ritterwanze auf den Blüten der Weißen Schwalbenwurz.
Ritterwanze auf den Blüten der Weißen Schwalbenwurz.

Mehr als einen Blick wert sind zudem die von den Schafen in teilweise bizarre Formen gefressenen Weißdornbüsche und Obstbäume, die im Frühling strahlend weiße Akzente in diese einmalige Hügellandschaft zaubern und im Zusammenspiel mit dem Blau des Himmels, dem frischen Grün der Wiesen und den unzähligen Blüten einen grandiosen Anblick bieten. Eine Wanderung in den Zickerschen Bergen ist eine Wohltat für unsere Augen, unsere gestressten Sinne. Ende Mai/Anfang Juni kann man auf der Weißen Schwalbenwurz übrigens ein besonderes Tierchen entdecken: die Ritterwanze (Lygaeus equestris). Auf den ersten Blick wird sie gemeinhin für einen sogenannten Feuerkäfer gehalten, der tatsächlich kein Käfer, sondern wie die Ritterwanze eine Wanze ist. Die Ritterwanze treibt sich stets dort herum, wo die Weiße Schwalbenwurz vorkommt, denn sie stellt die Nahrungsgrundlage für ihre Larven dar. Artenreiche Wiesenstandorte befinden sich außerdem am Schafberg in Middelhagen, an dessen Hängen nicht nur der leuchtend blaue Große Ehrenpreis, sondern auch die im Norden Deutschlands äußerst seltene Heilwurz wächst. Wenn der Große Ehrenpreis in Vollblüte steht, sieht es von Weitem so aus, als seien Stückchen vom Himmel auf die Erde gefallen. Dazu die großen weißen Dolden der Heilwurz - es ist einfach wunderschön. Die Weiße Schwalbenwurz kommt hier ebenfalls vor und mit ihr die bereits erwähnte Ritterwanze. Daneben können Tauben-Skabiose, Gelbe Wiesenraute, Gemeine Grasnelke, Großer Klappertopf, Gewöhnliches Ferkelkraut, Sand-Strohblume und Acker-Witwenblume sowie viele andere Wiesenblumen bestaunt werden. Besonders empfehlenswert ist ein Besuch des Schafbergs, wenn der leuchtend gelbe Besen-Ginster blüht (ungefähr ab Mitte/Ende Mai).

Unbestimmte Sommerwurz auf den Trockenrasen bei Klein-Zicker.
Unbestimmte Sommerwurz auf den Trockenrasen bei Klein-Zicker.

Unbedingt erwähnenswert ist natürlich auch die relativ kleine Hügellandschaft von Klein Zicker, auf der sich eine ähnliche Flora wie in den Zickerschen Bergen angesiedelt hat. Zu botanischen Erkundungen laden außerdem die Wiesenstandorte auf und am Fliegerberg bei Alt-Reddevitz und alle Feuchtwiesen in der Nähe der Bodden ein, die jedoch nicht betreten werden dürfen. Grundsätzlich gibt es überall Wiesenflächen, selbst neben den Deichen. Das gilt für das Mönchgut genauso wie für den Jasmund oder die Gegend um Putbus. Und - auch das sei gesagt - Allerweltsgewächse wie der Wiesen-Bocksbart, der Rotklee, die Wiesen-Margerite oder die Rundblättrige Glockenblume sind nicht weniger schön als Seltenheiten. Aufgrund des komplexen Themas "Wiesentypen" habe ich für die Pflanzenfotos eine grobe Einteilung in lediglich drei Kategorien vorgenommen, die meinem Hirn entsprungen sind und jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehren. Außerdem ist es so, dass viele Pflanzen an unterschiedlichen Standorten wachsen und deshalb von Ihnen auch an anderen Stellen im Gelände gefunden werden können. Ich bitte für die schnöde Struktur ausdrücklich um Entschuldigung, aber mehr geht an dieser Stelle einfach nicht. Wer ins Detail gehen möchte, muss sich an anderer Stelle umschauen oder an geführten botanischen Wanderungen auf Rügen teilnehmen. Ich sage dazu nur: René Geyer und die Zickerschen Berge - Informationen gibt es im Internet. Trotz meiner Defizite und meines immer erhobenen Zeigefingers wünsche viel Freude beim Umschauen und jede Menge wunderbarer Entdeckungen auf Deutschlands größter Insel.

Bitte klicken Sie auf eines der Bilder, um die Galerie in vergrößerter Ansicht zu starten. Es werden dann auch die Informationen über die jeweilige Pflanze angezeigt.

Pflanzen der Salzwiesen

Pflanzen anderer Feuchtwiesen

Pflanzen auf trockenen, warmen Wiesen

Blühaspekte der Rügener Wiesen

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