Pflanzen auf Rügen: Äcker und Brachen


Die Kornblume ist das Sinnbild unserer Ackerwildkräuter schlechthin.
Die Kornblume ist das Sinnbild unserer Ackerwildkräuter schlechthin.

Äcker und Brachen prägen einen großen Teil Rügens und kaum eine Blume steht derart sinnbildlich für die Blütenpracht am Feldrain wie die Kornblume. Ein Kornfeld und die blaue Kornblume gehören einfach zusammen, was sich ja schon am Namen erkennen lässt. Das war jedoch nicht immer so. Tatsächlich lebt die Kornblume bereits seit dem Ende der letzten Eiszeit bei uns. Gemeinsam mit der Vogelmiere, der Ackerwinde, dem Gewöhnlichen Löwenzahn, den Gänsefuß- und Meldearten, Knöterichen, Disteln, Wegerichen und vielen anderen Pflanzen besiedelte die Kornblume aus südlicheren Gefilden kommend nach und nach die eisbefreiten, tundrenartigen Gebiete nach dem Abschmelzen der Gletscher.

Der Klatschmohn ist eine der bekanntesten Pflanzen der Feldflora.
Der Klatschmohn ist eine der bekanntesten Pflanzen der Feldflora.

Erst mit dem Einsetzen des Ackerbaus, der in Nordeuropa zwischen 3000 und 2000 Jahren vor Christus begann, wurde sie nach und nach zu einer Bewohnerin der bewirtschafteten Flächen. Auch einige andere, nach der Eiszeit eingewanderte Pflanzen passten sich über die Zeit dem Rhythmus von Bodenbearbeitung, Aussaat und Ernte an. Manche so sehr, dass sie mit dem Einstellen bestimmter Kulturen bei uns ausgestorben sind. Als Beispiel sei hier der Flachsanbau genannt. Pflanzen wie das Flachs-Leinkraut sind mit den Flachs-, also Leinfeldern in Deutschland verschwunden. Sesshaftigkeit, Ackerbau und Tierhaltung ließen die Menschen regen Handel treiben und dafür auf Wanderschaft gehen. Mitgebracht wurden nicht nur die gewollten Handelsgüter, sondern auch Pflanzen wie Sand- und Klatschmohn, Echte Kamille, Wilde Malve, Acker-Wachtelweizen, Acker-Senf, Feld-Rittersporn, diverse Gräser und unzählige andere. Vom Beginn des Ackerbaus an über die Zeit der Völkerwanderung und des Mittelalters bis in die heutige Zeit wurden ungefähr zwei Drittel der Ackerwildkräuter vom Menschen aus anderen Teilen der Welt mitgebracht. Lediglich ein Drittel von ihnen war schon vor Beginn des Ackerbaus bei uns heimisch. Wenn Sie vor einem blühenden Feldrain stehen, blicken Sie also auf ein Sammelsurium von Pflanzen unterschiedlichster Herkunft. Gesagt sei, dass die Geschichte um die Herkunft und Entwicklung unserer Ackerwildkräuter unglaublich spannend und interessant ist. Leider reicht hier der Platz jedoch nur für jene aus, die uns auf Rügen am häufigsten begegnen und am auffälligsten sind. 

Feldrain mit Kornblume, Klatschmohn und Echter Kamille auf dem Mönchgut.
Feldrain mit Kornblume, Klatschmohn und Echter Kamille auf dem Mönchgut.

Ja, auf Rügen gibt es sie noch: Die farbenfrohen, duftenden Feldraine aus Echter Kamille, Klatschmohn, Kornblumen, Acker-Krummhals, Acker- und Wildem Stiefmütterchen, die wir aus unseren Kindertagen kennen. Und wenn man über die Insel fährt, sehen manche Felder so aus, als seien blaue Wolken vom Himmel mitten in das Getreide gefallen. Es blühen dermaßen viele Kornblumen darin, dass man den Eindruck bekommt, es gäbe sie im Übermaß. Tatsächlich ist dem nicht so, denn unsere Ackerwildkräuter verschwinden zusehends. Die intensivierte Landwirtschaft mit ihrem Dünger- und Pestizideintrag und den immer dichter stehenden Pflanzen lässt in vielen Teilen Deutschlands keinen Raum mehr für die blühenden Schönheiten. Monokulturen aus Weizen, Roggen oder Mais erstrecken sich oft bis zum Horizont, ohne dass ein einziger leuchtend roter Klatschmohnfleck zu entdecken ist. Allenfalls Gräser wie Acker-Trespe oder Hühnerhirse schaffen es noch, Massenbestände auszubilden und sich zwischen den Kulturpflanzen zu behaupten. Auch die so schön anzusehenden, leuchtend gelben Rapsfelder stellen in der Regel ökologische Wüsten dar, in denen nichts anderes wächst als Raps. Deshalb wird in diesen Feldern weder gesummt noch gebrummt oder gezwitschert und gesungen. Denn Insekten können ohne Blütenvielfalt nicht leben. Und wo Insekten fehlen, verschwinden die Vögel. In einem Rapsfeld hingegen, das von einem farbenfrohen Feldrain geschmückt wird und in dem zwischen dem Raps verschiedene Ackerwildkräuer gedeihen, werden Sie auf Rügen die Wiesen-Schafstelze genauso entdecken wie den Feldsperling oder die Feldlerche. Sie werden Distelfalter auf den Blüten bestaunen können und das Summen der Bienen und Hummeln, den Gesang der Vögel hören. Und sogar Feldhasen beobachten können, denn die sind ebenfalls auf eine artenreiche Pflanzenvielfalt angewiesen.

Die Gemeine Ochsenzunge ist eine häufige Pflanze der Brache.
Die Gemeine Ochsenzunge ist eine häufige Pflanze der Brache.

Das Gleiche gilt für die Brachen, die nichts weiter sind als vorübergehend nicht mehr genutzte Flächen, die eine Weile sich selbst überlassen bleiben. Zwischen den vereinzelt noch vorhandenen Nutzpflanzen siedeln sich mit der Zeit die Gewöhnliche Ochsenzunge, Acker-Senf, Acker-Distel, Hederich, Wilde Malve und viele andere Pflanzen an. Es entsteht ein buntes Stelldichein, das unterschiedlichsten Tieren Lebensraum bietet. Besonders farbenprächtige Brachen können Sie übrigens im Juni in den Zickerschen Bergen bewundern, die nicht nur zum Biosphärenreservat Südost-Rügen gehören, sondern auch als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind. Beides verbietet eine intensive landwirtschaftliche Nutzung und das Ausbringen von Düngern oder Pestiziden. Die Brachen und Äcker in den Zickerschen Bergen haben deshalb auch so manche Seltenheit unter den Ackerwildkräutern zu bieten, zum Beispiel den Feld-Rittersporn oder verschiedene Sommerwurzarten, die auf einer eigenen Seite ausführlich vorgestellt werden. Alles in allem können Sie sich also beim Anblick des farbenprächtigen Durcheinanders auf Rügens Feldern und Brachen glücklich schätzen, denn derartige Anblicke sind in unserem Land selten geworden. Und auch wenn es Ihnen beim Anblick der vielen Kornblumen in den Fingern juckt und nach einem Blumenstrauß für die Verschönerung der Ferienwohnung gelüstet: Überlegen Sie sich, ob das wirklich sein muss. Ja, es ist schön, sich einen Blumenstrauß zu pflücken. Es macht Spaß und ruft längst vergessen geglaubte Erinnerungen an Kindheitstage hervor. Aber in Zeiten, in denen immer mehr Arten aus unseren Landschaften verschwinden, sollte jede Pflanze an dem Ort verbleiben, wo sie nunmal ist.

Die Wilde Malve stammt ursprünglich aus Südeuropa.
Die Wilde Malve stammt ursprünglich aus Südeuropa.

Und wenn Sie den Kornblumen am Wegesrand nicht widerstehen können, dann pflücken Sie doch bitte so, dass Sie nicht den halben Feldrain verwüsten, nur weil ihnen die Blüte zwei Meter weiter mitten im Kornfeld schöner vorkommt als die, die vor ihrer Nase steht. Achten Sie darauf, dass Sie nicht die gesamte Pflanze rausreißen. Denken Sie daran, dass Sie vielleicht noch Stunden zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sein werden und der Strauß in dieser Zeit verwelkt. Machen Sie sich bewusst, dass auf diesem Kornfeld aus Roggen, Weizen oder Gerste ihr täglich Brot heranwächst und dass es irgendjemandem gehört. In Schutzgebieten wiederum ist es grundsätzlich verboten, irgendeine Pflanze abzupflücken und viele unserer Ackerwildkräuter stehen grundsätzlich unter Naturschutz. Blumen, egal ob geschützt oder nicht, ob selten oder häufig, stellen die Nahrungsgrundlage unzähliger Tiere dar und sind kein Spielzeug für uns Zweibeiner. Begegnen Sie der Natur Rügens mit Respekt. Es ist das Mindeste, was Sie für alle Lebewesen tun können - sich selbst und ihre Kinder eingeschlossen. Genießen Sie den Anblick der wogenden Getreidehalme im Wind, die besonders schön aussehen, wenn die Sonne sich ihrem abendlichen Untergang nähert. Dann entstehen phantastische Stimmungen mit einem ganz besonderen Licht. Erfreuen Sie sich am Spiel der Farben und Formen, der Düfte und Geräusche. Sie haben Urlaub und das Glück, ein außergewöhnliches Stück Deutschland erleben zu können. Was will man mehr?! Wie dem auch sei: Egal, wo Sie sich auf Deutschlands größter Insel rumtreiben: Ich wünsche Ihnen eine wunderbare Zeit mit vielen schönen Erlebnissen und jede Menge Freude beim Betrachten der nachfolgenden Fotos.

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Blühaspekte auf Äckern und Brachen

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