Das Wort "Windflüchter" ist auf der Halbinsel Fischland, Darß, Zingst allgegenwärtig, denn es ist eine äußerst beliebte Bezeichnung für Ferienwohnungen und -häuser, Pensionen und Hotels, Segel- und Surfschulen und und und. Dass das Wort derart präsent ist, liegt an bestimmten Bäumen am Weststrand, deren Kronen von den permanent aus westlichen Richtungen wehenden Winden gezwungen werden, in Windrichtung zu wachsen, also vor dem Wind zu flüchten. Der bekannteste Windflüchter ist wohl der, der auf dem obigen Foto zu sehen ist. Es gibt mit Sicherheit keinen Darßbesucher, der ihn noch nicht fotografiert hat, sofern er vor ihm stand. Dieser Baum ziert Kalender, Gemälde und Bücher, Hotelprospekte, Logos und Flyer und kann durchaus als eines der Darßer Wahrzeichen betrachtet werden. Er lebt in der Nähe des Leuchtturms am Darßer Ort - wenn man am Strandaufgang zum Leuchtturm steht, befindet er sich ein Stück weit rechts. Aber er ist nicht allein.
Tatsächlich sind nahezu alle Bäume und Büsche, die unmittelbar am Weststrand leben und den beständigen Westwinden ausgesetzt sind, Windflüchter oder vom Wind geschoren (siehe "Windschur" weiter unten). Einige stehen zum Beispiel in den noch recht kahlen Dünen am Darßer Ort, und zwar dort, wo es vom Rundwanderweg auf den Weststrand geht. Andere imposante Windflüchter finden sich am gesamten Weststrand in Richtung Langseer Weg und noch weiter. Egal, ob Busch oder Baum, groß oder klein - allesamt handelt es sich um Lebenskünstler, die alles daran setzen, der Belastung durch den Wind, aber auch extreme Hitze und Trockenheit sowie Orkanen zu trotzen. Diese harten Bedingungen lassen verbogene, bizarre Baumpersönlichkeiten entstehen, die erhaben und irgendwie stolz die Landschaft krönen. Da kann man nur staunen und sich voller Bewunderung verneigen. Einen der Darßer Windflüchter hatte ich über die Jahre besonders ins Herz geschlossen: eine alte, von Efeu ummantelte Kiefer in der Nähe des Langseer Wegs. Zu meinem großen Bedauern hat sie einem der starken Stürme oder Orkane nicht standhalten können und ist umgestürzt. Der Anblick des gefallenen Baumes hat mich zutiefst berührt und bewegt. Tja, die Natur ist eben nicht so idyllisch wie sie uns oft erscheint, sondern ein ständig währender Kampf um Leben und Tod. Wenn Sie am Weststrand unterwegs sind und aufmerksam die Bäume am Übergang vom Strand zum Wald betrachten, werden Sie viele Windflüchter entdecken: Waldkiefern, Rotbuchen, Apfelbäume, Weißdorn und und und. Übrigens: Windflüchter gibt es natürlich nicht nur auf dem Darß, sondern auf der ganzen Welt - eben überall dort, wo beständige Winde überwiegend aus der gleichen Richtung wehen.
Ein anderes Windphänomen ist die Windschur, die man am Weststrand besonders gut bestaunen kann. Sieht man sich die Baumgruppen und Sträucher am Rande des Strandes genau an, wird deutlich, dass die Gehölze allesamt so aussehen, als hätte sie jemand schräg mit einer Schere abgeschnitten. Die Länge der Gehölze steigt dabei zur Landseite hin an und zur Seeseite hin sind sie kahl . Tatsächlich ist auch das ein Ergebnis des ewig wehenden Westwindes, der die Knospen der Bäume und Sträucher stark schädigt, so dass sie auf der dem Wind zugewandten Seite nicht weiterwachsen können.