Der folgende Text ist eine Liebeserklärung an die Erlenbrüche im Darßwald - eine verzauberte Welt aus Wasser, Pflanzen und Tieren. Eine phantastische, lebendige Welt, die im Wasser gespiegelt und
von Licht und Schatten umspielt einen atemberaubenden Anblick bietet. Zuerst sei jedoch gesagt, dass dieser Landschaftstyp genau genommen "Erlen-Bruchwald" heißt. Wobei das Wort "Erlen" ja schon
einmal darauf hinweist, welche Baumart vorherrschend ist. Es ist die Schwarz-Erle, die wie kaum ein anderer Baum in Deutschland an das Leben mit nassen Füßen angepasst
ist. Nach der Waldkiefer, die es allerdings bedeutend trockener mag, ist die Schwarz-Erle übrigens die häufigste Baumart im
Darßwald. Und ein BRUCHwald ist nichts anderes als ein sumpfiger, ständig oder zeitweise unter Wasser stehender Wald. Die Darßer Erlenbrüche gedeihen allesamt in den Riegen, also den nassen
Tälern zwischen ehemaligen Dünen. Was es damit genau auf sich hat, erfahren Sie in der Rubrik "Im Darßwald - Überblick über das
Gebiet".
Wer im Darßwald unterwegs ist, dem werden die Erlenbrüche keinesfalls verborgen bleiben, denn sie säumen unübersehbar die
Wege. Egal, ob im Frühling, Sommer, Herbst oder Winter - ein Erlenbruch ist immer schön. Und immer anders. Wenn knackiger Frost alles mit Eis überzieht ... wenn die
tiefstehende Sonne im zeitigen Frühjahr Milliarden Erlenpollen auf der Wasseroberfläche schimmern lässt ... wenn im Sommer undurchdringliches Grün in unzähligen Schattierungen alles überwuchert
... Man muss es einfach erlebt und gesehen haben. Okay, Allergiker werden weitaus weniger begeistert sein als ich. Zumindest jene, die auf Birke und Hasel allergisch reagieren, denn in der Regel
besteht dann auch eine kräftige Allergie auf die Erle. Erwähnt sei deshalb, dass es in und um Prerow herum nur so von Erlen wimmelt, was für die Urlaubsplanung allergischer Menschen nicht
unwichtig sein dürfte. Über die Schwarz-Erle gäbe es noch unendlich viel zu sagen - zum Beispiel über die Symbiose des Baumes mit einem Strahlenpilz, der an ihren Wurzeln lebt. Dieser Pilz ist in
der Lage, Stickstoff aus der Luft zu binden und in Form von Knöllchen im Wurzelwerk abzulagern. So kommt die Erle zu zusätzlicher Nahrung, denn die ist in einem Erlenbruch genauso rar wie fester
Boden. Man könnte außerdem über ihr rötliches Holz referieren oder über ihre Bedeutung in Mythen, Literatur und Ortsnamen. Aber das wäre an dieser Stelle wirklich zu viel des Guten. Auf jeden
Fall aber muss gesagt werden, dass die Schwarz-Erle für viele Vögel und Insekten eine äußerst wichtige Nahrungsquelle darstellt. Die Raupen unzähliger Schmetterlinge wie zum Beispiel die der
Erlen-Rindeneule oder des Erlen-Sichelfüglers nutzen die Blätter der Schwarz-Erle als Futterpflanze. Ihre Samen wiederum sind willkommene Winternahrung für viele Vögel.
Im Darßwald kann man insbesondere im Januar und Februar riesige Schwärme von Birken- und Erlenzeisigen aus Skandinavien beim Fressen der Erlensamen beobachten.
Und obwohl die Namen den Eindruck erwecken, als würden Birkenzeisige auf Birken und Erlenzeisige auf Erlen spezialisiert sein, ist dies nicht der Fall. Insbesondere der Erlenzeisig ist auf die
Fichte, aber nicht die Erle angewiesen, nutzt Erlensamen in den Wintermonaten jedoch überaus gern als Futterquelle. Darüber hinaus finden sich oft viele
Buchfinken unter den Bäumen ein, die die heruntergefallenen Samen
aufpicken. Alle diese Vögel verraten sich durch ihr unablässiges Geschwätz, welches weithin zu vernehmen ist und den winterlichen Wald beleben.
Mir hat es besonders die Pflanzenwelt der Erlenbrüche angetan, die nicht nur die Randbereiche mit festen Boden unter den Wurzeln für sich entdeckt hat. Nein, auch auf Baumstümpfen und Totholz sowie den aus dem Wasser ragenden Teilen der Schwarz-Erlen findet ein buntes Pflanzenstelldichein statt. Um den Stammfuß herum, auf Baumstümpfen und Totholz sammeln sich mit der Zeit Laub und Erde, die sich zu einem nährstoffreichen Gemisch vereinigen. Da - wie bereits geschrieben - sowohl trockener Boden als auch Nährstoffe im Erlenbruch rar sind, sind diese Stellen unheimlich begehrt. Von Ebereschen über Schwarzen Holunder und Wald-Geißblatt bis hin zu Wald-Sauerklee, Weißem Buschwindröschen und diversen Moosen und Farnen - es ist erstaunlich, wer sich dort so alles einfindet und miteinander ein Auskommen findet. Kleine Inseln voller Leben, die mich über die Kreativität der Pflanzen, ihre unglaubliche Anpassungsfähigkeit nur staunen lassen.
Während Wald-Sauerklee und Buschwindröschen klein sind und nur dann auffallen, wenn sie in Massen blühen, fallen einem zwei größere Pflanzen schon aufgrund ihrer Häufigkeit sofort ins Auge: die Steife Segge und der Sumpflappenfarn. Die Steife Segge ist allgegenwärtig und bildet über die Jahre stattliche Horste, also Büschel, die eine Höhe von bis zu einem halben Meter erreichen können. Der Sumpflappenfarn wird ebenfalls mit der Zeit immer stattlicher, denn im Gegensatz zu vielen anderen Farnen besitzt er keine Blattrosette, von der die Blätter zentral abgehen. Der Sumpflappenfarn nennt einen Wurzelstock sein eigen, der mit zunehmendem Alter immer höher und dicker wird. Das hat zur Folge, dass seine hellgrünen Blätter etwas voneinander abstehen. Es gibt also sogar einen Gruß aus der Urzeit in den Erlenbrüchen, denn Farne sind Wanderer zwischen den Zeiten. Bereits seit ca. 400 Millionen Jahren weilen sie auf unserer Erde und gehören somit zu den ältesten Pflanzen überhaupt. Im Karbon, also vor ungefähr 350 bis 300 Millionen Jahren existierten Wälder aus Farnen, denn damals waren diese interessanten Wesen so groß wie die heutigen Bäume. Weitere typische Pflanzen der Darßer Erlenbrüche sind die Gelbe Schwertlilie, die Wasserminze, die Wald-Simse und die außerordentlich hübsche Wasserfeder. Die Wasserfeder gehört zur Familie der Primelgewächse und diese Verwandtschaft kann sie angesichts der offensichtlichen Ähnlichkeit mit den Primeln nicht leugnen. Den Zweitnamen "Wasserprimel" trägt die zierliche Schönheit also nicht von ungefähr. Übrigens ragen nur ihre weißen bis leicht lilafarbenen, im Juni erscheinenden Blüten über die Wasseroberfläche hinaus. Die Pflanze selbst wächst unterhalb des Wasserspiegels und wurzelt im Schlamm. Ihre grünen, filigranen Blattrosetten sterben im Herbst nicht ab, sondern überdauern den Winter und können das ganze Jahr über bestaunt werden. An manchen Stellen bildet die Wasserfeder dichte Teppiche und es ist ein ausgesprochen schöner Anblick, wenn sich ihre Blüten öffnen - umrahmt von Steifer Segge, Sumpflappenfarn und Gelber Schwertlilie.
In den schattigen Randbereichen mancher Erlenbrüche hingegen fällt neben dem pink-lilafarben blühenden Wald-Ziest eine Pflanze mit herabhängenden, leuchtend gelben Rachenblüten auf. Dabei handelt es sich um das Echte Springkraut. Nein, es ist nicht jenes Springkraut, welches an fast allen Waldwegen in Massen wächst und das Sie vielleicht aus Kindertagen kennen, weil Sie dessen Früchte mit den Fingern haben aufspringen lassen. Das klappt mit den Samen des Echten Springkrauts zwar ebenfalls, doch es ist viel seltener als das Kleine Springkraut. Anders als das Echte Springkaut ist das Kleine Springkraut außerdem ein sogenannter Neophyt. Das heißt, dass es nicht zur einheimischen Flora gehört und aus fremden Gefilden eingewandert ist. Um 1835 haben seine Samen deutsche botanische Gärten verlassen und sich auf den Weg durch die Republik gemacht. Die Unterschiede zwischen beiden Pflanzen machen die folgenden Bilder deutlich. Das erste Bild zeigt das Echte Springkraut, das zweite das Kleine Springkraut.
Obwohl ich die Erlenbrüche im Darßwald zu allen Jahreszeiten wunderschön und immer eines Besuches wert finde, sind mir die Monate Juni bis August die liebsten. Das Spiel der unendlich vielen Grüntöne, der unterschiedlichen Formen und Farben, der unablässige Wechsel von Licht und Schatten ... das Gezwitscher der Vögel ... das Rauschen der Blätter im Wind ... der leicht würzige, morastige Geruch ... das Rufen der in abgelegenen Erlenbrüchen brütenden Kraniche ... Wenn man das alles bewusst wahrnimmt und den Blick auf das undurchdringliche, verschlungene Miteinander der Pflanzen richtet, dann wird einem klar, warum die Einheimischen so gern vom Darßer Urwald sprechen. Es ist einfach unglaublich schön. Großartig. Eine Zauberwelt. Wenn am späten Nachmittag eine tiefstehende Sonne ihre schrägen Strahlen durch die Bäume schickt und kontrastreiche Muster auf die Wasseroberfläche malt oder an einem spätsommerlichen Morgen Nebelschwaden zwischen den Bäumen wabern, entstehen wahrhaft magische Momente. Dann hält meinereine inne und fühlt sich ziemlich klein. Aber ich bin auch unglaublich glücklich und dankbar. Dafür, dass ich solche Momente erleben darf.
Aber hier geht es nicht um mich und meine Gefühle, sondern um die Darßer Erlenbrüche und ihre Bewohner, zu denen natürlich auch Tiere gehören. Zahlreich vertreten sind Amphibien, Reptilien und
Insekten. Teichmolche schwimmen im trüben, besonnten Wasser der Randbereiche und suchen unter den immergrünen Blättern der Wasserfeder Schutz. Kaulquappen der
Moorfrösche und anderer quakender Gesellen kann man dort ebenso entdecken. Eine Zierde der Erlenbrüche ist zudem die Ringelnatter, die mit Vorliebe auf
umgestürzten Baumstämmen Sonne tankt. Gar nicht so selten liegen mehrere Nattern gemeinsam auf einem Stamm. Ab und zu befindet sich sogar eine Blindschleiche darunter, die zu den Echsen gehört
und feuchte Lebensräume bevorzugt. Säugetiere halten sich in den permanent unter Wasser stehenden Gebieten eher selten auf. Aber es kann durchaus sein, dass man mal einem durchs Nass watenden
Rothirsch oder einer Rotte Wildschweine begegnet. Im Pflanzengewirr am Wegesrand kann man jede Menge Insekten
entdecken, zum Beispiel die Larve der Blattwespe Monostegia abdominalis, die keinen deutschen Namen besitzt und die ich zuerst für eine Schmetterlingsraupe gehalten habe. Sie ist vor allem am
gelb blühenden Gewöhnlichen Gilbweiderich zu finden. Darüber hinaus flattern, summen und brummen allerlei Schmetterlinge, Bienen, Hummeln und
Schwebfliegen umher. Die Vogelwelt wiederum beschränkt sich selbstverständlich nicht auf die oben erwähnten Birken- und Erlenzeisige oder Buchfinken. Zaunkönige nisten gern in kleinen Höhlen der Erlenstümpfe, sofern diese trocken sind. Häufig anzutreffen ist außerdem die zierliche Sumpfmeise, die entweder in natürlichen Astlöchern,
verlassenen Spechthöhlen oder selbst gezimmerten Baumhöhlen nistet. Der imposanteste Vertreter der Vogelwelt ist der Kranich, der in versteckten, für
Besucher nicht zugänglichen Erlenbrüchen nistet. Mit anderen Worten: In den Erlenbrüchen tobt das Leben! Wenn Sie also im Darßwald zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind, sollten Sie es nicht
versäumen, den Erlenbrüchen ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Genießen Sie den Anblick, erfreuen Sie sich an einem wunderbaren Stück Natur, das man nicht mehr alle Tage zu sehen bekommt. Ich
wünsche Ihnen viel Freude in diesem Paradies, dieser Zauberwelt aus Licht und Schatten, Wasser und Grün. Abschließend gibt es ein paar Tipps und jede Menge Fotos von den Erlenbrüchen in
verschiedenen Jahreszeiten sowie von Pflanzen und Tieren.
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